Geburtsbericht

Zwischen Schwangerschaftsvergiftung, 19 Stunden Wehen und einem Kaiserschnitt

Geburtsbericht

Dass meine Schwangerschaft bereits kein Spaziergang war, habt ihr ja schon mitbekommen. In meiner vormütterlichen Euphorie dachte ich dann zeitweise „Naja, dafür hast du sicher eine ganz tolle, entspannte Geburt“… Aber nix da – wäre ja auch zu einfach gewesen.

Eins vorab, Liam war von meiner ganzen gesundheitlichen Misere unbetroffen.
Ihm ging es zu jeder Zeit gut!

Es war der 04.07.2020 als ich undefinierbare Schmerzen im Oberbauch zu beklagen hatte. Dazu kam eine Luftnot, die ich bisher so nicht kannte. Also schrieb ich meiner Hebamme, die glücklicherweise auch in der Klinik arbeitet, in welcher ich entbunden habe.
Um auf Nummer sicher zu gehen, bat sie mich, in die Klinik zu kommen, um ein CTG zu schreiben und mich anzuschauen. Gesagt, getan.
Das CTG war gut. Mir wurde Blut abgenommen und ich durfte fürs Erste nach Hause.
05.07.2020 – mir geht es leider überhaupt nicht besser und ich darf wieder in die Klinik – CTG und Blutabnahme. Diesmal werden die Werte auf eine Schwangerschaftsvergiftung getestet. Ich dachte in dem Moment Schwangerschafts-WHAT!?
Wie bitte komme ich denn an sowas…
Kurzer Exkurs zum Thema Schwangerschaftsvergiftung (Präeklampsie):

Typische Anzeichen sind:
– Eiweiß im Urin
– Übergewicht
– Bluthochdruck
– Kopfschmerzen und Sehstörung
– Oberbauchschmerzen (eher rechtsseitig)

Ok. Oberbauchschmerzen und diese eher rechtsseitig habe ich. Kopfschmerzen auch, aber die habe ich auch oft ohne Schwangerschaftsvergiftung.

In zwei Tagen kommen die Blutergebnisse.
Na, da bin ich ja mal gespannt …

Am 07.07.2020 war ich dann wieder in der Klinik zur Kontrolle. Weil mein Gynäkologe in Mönchengladbach sitzt, war ich sehr froh darüber, dass die „Behandlung“/“Betreuung“ nun direkt übers Krankenhaus lief und ich nicht täglich bis Gladbach gurken muss.

Die Ergebnisse sind da!

Der sogenannte Quotient (Ermittelter Blutwert) war STARK erhöht!

Ich habe tatsächlich eine Schwangerschaftsvergiftung.

Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich in der 37. SSW. Tausend Gedanken schossen mir zu diesem Zeitpunkt durch den Kopf.
Der Chefarzt erklärte mir dann, die einzige Therapie ist jetzt die Geburt.
Das tückische bei der Schwangerschaftsvergiftung ist ein plötzliches Nierenversagen oder auch Thrombose oder Hirnödeme bei der Mutter. Zwar kann bis zum Ende der Schwangerschaft alles gut gehen, aber es kann auch von jetzt auf gleich lebensbedrohlich werden.

10.07.2020 – Anruf vom Chefarzt – Ich soll ins Krankenhaus kommen „Und bringen Sie bitte Ihre Kliniktasche mit“

Nach dem Anruf habe ich erst einmal geheult. Die Situation scheint doch ernster zu sein, als ich dachte. Meine Kliniktasche hatte ich zu dem Zeitpunkt bereits gepackt. Ich war nervös. muss ich gestehen. Mama hat mich in die Klinik gefahren und mich mit meiner schweren Tasche bis zum Kreißsaal begleitet. Ab hier war ich dann alleine.

Eins hab ich noch ganz vergessen zu erwähnen – Seit ca. einer Woche habe ich starke Schmerzen im unteren Rücken. So stark, dass ich kaum laufen kann. Und wenn ich kaum Laufen sage, dann meine ich auch kaum laufen. So brauchte ich dann etliche Zeit, um überhaupt ins Auto einzusteigen, auszusteigen und mich fortzubewegen. Eine Katastrophe!
Zuständig für die wahnsinnigen Schmerzen war das Iliosakralgelenk.
Begleitet hat mich dieser Zustand noch bis ca. zwei Wochen nach der Geburt. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, wie schlimm es für mich war, als wir nach Hause durften und ich mich dort mit einem Säugling kaum bewegen konnte …

10.07.2020 – Ab jetzt geht es nur noch MIT Baby nach Hause. 

Ich wurde stationär aufgenommen und vom Chefarzt untersucht. Er hat mir nochmal genauestens meinen aktuellen Gesundheitszustand erklärt und mir nahe gelegt, dass die Schwangerschaft jetzt zum Ende kommen muss. Zur ständigen Kontrolle und zur Vorsicht muss ich jetzt im Krankenhaus bleiben und darf nicht mehr nach Hause.

Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn wir die Geburt sofort einleiten. S o f  o r t einleiten …

PUH, ich brauche ein bisschen Bedenkzeit.
So haben wir uns darauf geeinigt, dass ich nochmal eine Nacht darüber schlafe und am anderen Morgen dann Bescheid gebe.
Denn auch bei einer Geburtseinleitung gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ausserdem hätte ich mich auch direkt für einen Kaiserschnitt entscheiden können …
Die Nacht habe ich also bereits im Krankenhaus verbracht. Eine unruhige Nacht, bei der ich am anderen Morgen immer noch nicht genau wusste, was ich machen soll. Einige haben mir geraten, vielleicht doch direkt einen Kaiserschnitt machen zu lassen. Allerdings und das ist nur meine persönliche Meinung (ich würde nie jemanden Verurteilen, der das anders sieht, denn das sollte jede Frau selbst entscheiden dürfen), wäre dies für mich kein „Geburtserlebnis“ gewesen, daher wollte ich es unbedingt auf natürlichem Wege versuchen.

11.07.2020 – Die Geburt wird eingeleitet

Es war ca. elf Uhr, als ich mich auf den weg von der Station zum Kreißsaal begeben habe. Ihr erinnert euch, mit meinem Rücken war ich nur im Schneckentempo unterwegs …
Ich habe mich für die Einleitung mit den Tabletten entschieden. Um 13 Uhr bekam ich dann die erste Tablette. Das Vorgehen ist immer dasselbe. 15 min. CTG, Tablette, 45 min. CTG, 4 Stunden später die nächste Tablette mit demselben Vorgehen.

Bereits nach der Einnahme der ersten Tablette hatte ich Wehen. Noch sehr leicht und völlig erträglich, aber sie waren spürbar. Intuitiv wusste ich, ich brauche nur noch eine Tablette, dann gehts los.

Um 17 Uhr bekam ich dann die zweite Tablette. Wie vermutet wurden die Wehen so stark, dass ich mein labbriges Graubrot mit Schmierkäse zum Abendessen nicht mehr runter bekam. Schon jetzt begann ich damit die Wehen wegzuatmen. Ich weiss nicht mehr genau wann es war, aber kurze Zeit später ist ein Teil meiner Fruchtblase geplatzt. Sofort wurde ich mit dem Rollstuhl in den Kreißsaal gefahren, welchen ich dann nicht mehr verlassen habe.

Vorerst verläuft alles super und nach Plan …

Das CTG hat gute Wehentätigkeit angezeigt. So kann es weiter gehen. Jetzt muss sich der Muttermund stück für Stück öffnen.

Irgendwann wurden die Wehen allerdings so stark, dass ich nach einem Schmerzmittel verlangt habe. Für die PDA war es noch zu früh. Die Hebamme meinte, dass der Muttermund dafür mind. 3 cm geöffnet sein muss, das war bei mir noch nicht der Fall. Also gab es ein Schmerzmittel über die Vene, durch welches ich mich ziemlich „besoffen“ gefühlt habe. Irgendwie kein so schönes Gefühl, aber die Wehen waren erträglicher.

Mein Muttermund öffnete sich nur schleppend. Leider.
Immer noch keine 3 cm für die PDA. Nochmal bekam ich das Schmerzmittel über den Tropf. Aber auch dieses hat nicht mehr so gewirkt wie beim ersten Mal. Irgendwann habe ich gespürt, dass es mir total hilft, wenn mir jemand bei der Wehe so stark wie möglich mit den Daumen in den unteren Rücken drückt – bzw. mit kreisenden Bewegungen massiert. Ohne dem waren die Wehen für mich gar nicht mehr erträglich.

Zeit für die PDA – ENDLICH!

Mitten in der Nacht war der Muttermund dann bei 3 cm. Endlich konnte ich die PDA bekommen. Das war auch gut und so wichtig, denn meine Kräfte waren mehr und mehr am Ende. Meine Beine haben nur noch vibriert. Mental war ich voll bei mir, aber meinen Körper hatte ich nicht mehr so wirklich unter Kontrolle.

Es muss so gegen 2/3 Uhr nachts gewesen sein, als der Anästhesist kam und mir die PDA gelegt hat. Er hat es mir nochmal erklärt, obwohl ich auch so bereits wusste „jetzt muss ich einmal ganz still halten“. Es war eine absolute Ausnahmesituation für mich, trotz Wehen dort zu sitzen und mich nicht im Geringsten zu bewegen. Aber es hat geklappt. Die PDA saß perfekt und ich traute meinen Augen kaum, als ich auf den Wehenschreiber schaute, der heftige Wehen anzeigte und ich einfach n i c h t s merkte.
„Jetzt kannst du versuchen, eine Stunde zu schlafen“ sagte meine Hebamme. Wahnsinn, so eine Erleichterung für meinen mittlerweile sehr schwachen Körper.

Geburtsstillstand

An Schlafen war für mich nicht wirklich zu denken. Ich war viel zu fokussiert. Aber ich konnte etwas zur Ruhe kommen und Kraft sammeln.
Nach einiger Zeit wurden die Wehen wieder spürbar und heftig. Ich brauchte wieder den Druck der Daumen im Rücken.
Die Hebamme hat wieder nach dem geöffneten Muttermund geschaut. „Vielleicht 5 cm.“ Puh, 5 cm erst. Sie rief einen Arzt hinzu. Auch er war der Meinung, dass wir höchstens bei 5 cm waren. Soweit so gut. Plötzlich war es ziemlich still und meine Hebamme schaute den Arzt nur skeptisch an. Irgendwie spürt man trotz dieser Ausnahmesituation, dass etwas nicht stimmt. „Spürst du das auch“? „JA, ich fühle die Nase“.
Wie bitte. Was heisst das denn jetzt!?
Liam muss sich gedreht haben …

Stunden vergingen. Um sieben Uhr morgens verabschiedete sich meine Hebamme. Schichtwechsel.
Mein Muttermund hat sich nicht weiter geöffnet. Dazu kam jetzt noch die „falsche“ Lage von Liam. Die Hebamme wollte versuchen, dass er sich noch dreht, damit eine natürliche Geburt vielleicht doch noch möglich ist. Also rauf auf den Gymnastikball und das Becken kreisen. Ja, super, auch das noch. Leute, ich kann nicht mehr, dachte ich in diesem Moment. Aber irgendwie will man es ja auch zu Ende bringen, also raus aus dem Bett.
Weil meine Fruchtblase noch nicht komplett geplatzt war, hatten wir noch die Chance, dass der Kleine sich im Fruchtwasser dreht.
Zu diesem Zeitpunkt war mir allerdings schon klar, dass ich eine weitere Nacht mit Wehen nicht mehr schaffe. Ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten.

Meine Kräfte waren völlig am Ende.

12.07.2020 – Liam kommt per Kaiserschnitt zur Welt

Meine Bemühungen auf dem Gymnastikball haben leider nichts gebracht. Als die Hebamme noch ein letztes Mal nach dem Muttermund geschaut hat, hat sie die Fruchtblase getroffen, damit war diese endgültig komplett geplatzt und Liam steckte im Geburtskanal fest.

Somit war die Entscheidung klar, Liam kommt per Kaiserschnitt zur Welt!

Alles ging ganz schnell. Über die PDA bekam ich das Betäubungsmittel gespritzt, welches meinen Körper von der Taille an abwärts lähmte. Eine Vollnarkose kam für mich überhaupt nicht infrage. Ich wollte unbedingt wach sein und dass Liam mir auf den Brustkorb gelegt wird. Ich weiss noch genau, was ich dachte, als ich in den OP gefahren wurde…

„Gleich hast du es geschafft, gleich ist der kleine Engel da, ab jetzt wird alles gut“!

Die meiste Zeit wurde für die Vorbereitung benötigt. Ich dachte, mir wird mitgeteilt, wann mit dem Kaiserschnitt begonnen wird, aber dem war nicht so. Patrick durfte den OP betreten und ich spürte ein ziemlich unangenehmes Druckgefühl sowie ein ordentliches ruckeln. Schmerzen hatte ich definitiv keine, aber mir wurde schlecht. Sehr schlecht!

Plötzlich hörte ich nur „Wollen Sie die Nabelschnur durchschneiden?
JA, wollen Sie oder!“
Dann wurde Liam mir auf die Brust gelegt, er war total zufrieden und schrie nicht. Erst kurze Zeit später, als er mir wieder weggenommen wurde zum Waschen und wiegen.

Wir waren völlig überwältigt!
Liam ist da.

Und er ist gesund. Mir liefen die Tränen nur so runter. Das ist mit Abstand das schönste Gefühl der Welt. DEIN Kind erblickt das Licht der Welt.

Diese Liebe ist nicht zu beschreiben.

Leider musste ich mich kurze Zeit später übergeben. Immer und immer wieder. Zudem bekam ich Kopfschmerzen, solche, wie ich sie noch nie im Leben hatte. Mein Blutdruck war extrem hoch und ich dachte kurzzeitig, ciao, das wars jetzt mit mir.
Erst am nächsten Tag ging es mir besser!

Die nächsten drei Tage genossen wir zu dritt im Familienzimmer. Eine wahnsinnig schöne und intensive Zeit. Auch weil „dank“ Corona keiner zu uns durfte (zum großen Leid meiner Eltern). Am zweiten Tag wurde mir der Blasenkatheter entfernt und ich konnte die ersten Schritte nach der OP gehen. Die Narbe tat noch ziemlich weh und ich hatte das Gefühl, mich nicht richtig aufrichten zu können. Es wurde aber zusehends besser und am dritten Tag nach der U2 Untersuchung konnten wir das Krankenhaus verlassen.

Es geht nach Hause – erstmals als richtige Familie!

Liam Nael

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